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„Mann über Bord!“ Abschlussfahrt als Segelturn

„Mann über Bord!“ Abschlussfahrt als Segelturn

Erster Tag, Dauerregen, Windstärke 8. Es hilft nichts. Die Segel der Linde müssen gehisst werden. Alle sind mit Eifer dabei und trotzen dem Wetter. Dann schnell wieder unter Deck und einen heißen Pfefferminztee trinken.
Gerade wieder etwas aufgewärmt, stürmt Maat Marsel in die Kombüse und kommandiert mit süßem holländischen Akzent: „Losch schnell, isch brauch‘ eure Hilfe. Die Fahrrinne endet. Wir müschen die Segl wenden!“ Also alle wieder hoch und raus in den Regen und Hände ans Seil. Einige sind froh, dass sie sich Handschuhe mitgebracht haben. Denn trotz dreifachem Flaschenzug lässt sich das Segel nur mit vereinten Kräften und im Rhythmus bewegen: „Ein, twe, ziiieh!“ Aber am Ende hat der Wind gegen die 9d keine Chance. Der Regen aber schon. Alle sind klatsch nass bis auf die Unterwäsche, aber auch stolz wie Bolle. Die mitreisenden Tutoren, Frau Laubenstein und Herr Sold, sind beruhigt, dass keinem etwas passiert ist.

DSC04104Gut ein paar Schülern ist schlecht, weil es doch recht kräftig schaukelt und Herrn Sold quält das schlechte Gewissen; hatte er doch die Fahrt auf dem Binnengewässer IJselmeer mit ohne Seegang angekündigt. Aber es war nur noch ein Dreimaster in Harlingen (nördlich des Ijseelmeers) frei und die Windrichtung gab den Kurs Nord-Nordost vor – raus aufs Wattenmeer.
Die nächsten Tage entschädigen mit super Wetter und Sonnenbaden an Deck. Gut gelaunt genießen die 9er die frische Brise im Fahrtwind. Mehrere Handys sind voll aufgedreht und es entsteht eine „wunderschöne“ Kakophonie aus mindestens drei unterschiedlichen Lieblingsliedern bis Skipper Andries dem Treiben einen Riegel vorschiebt. „Vollautomatik!“ 😉 Spätestens beim Seehund-Sichten musste die Musik ganz ausgemacht werden. Leider wurden die Robben dann teilweise doch aufgescheucht – durch hysterische Mädchenschreie: „Oach, sind die süß!“ Wir nennen keine Namen.

DSC04149Dienstag ist Fußball-Tag und die deutsche National-Elf spielt gegen Nordirland 1:0. Doch nur wenige Fußballbegeisterte versammeln sich vom dem Satellitenfernsehen. Irgendwann ist dann auch aufgrund der national-kulturellen Zuschauerstruktur auf das Polen-Spiel umgeschaltet. Da war die Beteiligung und Begeisterung am Nachmittag deutlich höher, als die Linde trockenfallen gelassen wurde, das heißt das Segelschiff setzte vor der Küste bei Ebbe auf Grund und die Besatzung konnte dort von Bord gehen, wo sonst drei bis fünf Meter Wassertiefe herrscht. Einige nutzten die Gelegenheit um selbst Fußball zu spielen. Andere beobachten Seesterne und Krabben oder sammeln Muscheln.
DSC04226Kurz vor 6 Uhr krabbeln die Letzten wieder pünktlich an Bord als die Flut schon wiederkommt. Die Worte des erfahrenen Skippers hatten wohl Eindruck hinterlassen: „Wenn die Flüt komm‘ und ihr in ejne Strömüng komm‘, könne‘ eure Eltern euch in England abhole‘.“ Ebenfalls eine Punktlandung – das unter Anleitung von Frau Laubenstein von den Schülern selbstzubereitete Abendessen: Bratwurst mit Kartoffelbrei und Rotkohl, als Nachtisch Obstsalat. Nur die polnisch-türkische Extrawurst-Mafia, wie eine Vierer-Jungen-Clique liebevoll von ihren Tutoren genannt wurde, hat es vorgezogen sich Tiefkühlpizza zuzubereiten. So oder so gehen alle satt an Deck und sind verblüfft, dass in so kurzer Zeit während des Essens rings ums Schiff schon wieder alles Landunter ist.
DSC04302Am vorletzten Tag passiert es dann doch noch. Im Hafen der idyllischen Insel Vlieland will der Schüler H. aus G. vom Schiff gehen, benutz dabei aber nicht den vorgeschriebenen Ausstieg mit Leiter, sondern klettert über die Reling, bleibt dabei mit dem linken Fuß hängen und dann sehen ihn seine Mitreisenden mit einem „Oh, Scheiße!“ hinter der Bordwand verschwinden. Schnell eilen alle zur Hilfe und auch der mit einem „Mann über Bord“ alarmierte Skipper ist gleich zur Stelle. H. aus. G. hängt noch halb an der Hafenmauer, ist aber komplett Baden gegangen. Mit Hilfe der Schüler gelingt es Herrn Sold den kreidebleichen H. wieder an Land zu ziehen. Alle Klamotten und die Schuhe sind nass und die Knie aufgeschürft. Da nichts Schlimmeres passiert ist, atmen alle erleichtert auf.
Tja, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Frau Laubenstein und Herr Sold freuen sich über Rückmeldungen wie „Das war eine gute Idee mit dem Segelturn als Abschlussfahrt“ und so sind auch die Tutoren voll des Lobes für die Klasse. Vor allem für die Schüler, die sich für die Technik des Segelns begeistern konnten und stets mit helfender Hand den Maat unterstützten und zum Beispiel mutig auf den Landungssteg gesprungen sind um das Schiff zu vertauen. Sie freuen sich aber auch, dass sich keiner der Gemeinschaftsaktion ganz entzogen hat und alles vom Fender festknoten bis zum Spüldienst pflichtbewusst wahrgenommen haben.

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